Kapitel I
Jack Unterwegers Vorleben
Jack Unterwegers Vorleben
Die erdichtete Biografie
Die offensichtlich - weil in Buchform festgehaltene - so furchtbare Kindheit und Jugendzeit Jack Unterwegers erfuhr im Rahmen der Ermittlungen gegen den prominenten
Literaten eine völlige Neuschreibung.Wie sich im Nachhinein herausstellte, hatte es der Schriftsteller vor allem durch seine während der Haft geschriebene Autobiografie blendend verstanden, durch Weglassungen, Verdrehungen und Erfindungen, jedoch stets unter Beibehaltung des wahren Kerns, sich eine maßgeschneiderte, vom Bild eines Opfers der Gesellschaft gezeichnete Biografie, zu verpassen.
Durch ständiges Wiederholen dieser verdrehten Lebensgeschichte hatte Unterweger nicht zuletzt bei Psychologen, die über dessen Zukunftsaussichten urteilten, ein leichtes Spiel, sondern konnte sich auch des Goodwill der von der Resozialisierung überzeugten Menschen sicher sein.
Der Persilschein vom Psychologen
«Eine starke Verwahrlosung und emotionale Defizite in der Kindheit sind eine wesentliche Ursache für das asoziale Verhalten von U., das seinen Höhepunkt
in der Ermordung einer Frau erreichte», heißt es in der psychologischen Stellungnahme der Stein-Psychologin DDr. Michaela Hapala vom 4. 12. 1989, in der sie
Unterwegers bedingte Entlassung befürwortete. DDr. Hapala skizzierte damit ein Persönlichkeitsprofil des wegen Mordes lebenslänglich Einsitzenden, das in
erster Linie auf dessen negative Lebensumstände bzw. Erlebnisse in der Kindheit zurückzuführen ist.Jack Unterweger
(Foto: Nikolaus Similache / Contrast / picturedesk.com)
Tatsächlich ist die «Tante Anna» eine Erfindung Unterwegers. Die «Geheimprostituierte Anna Unterweger» ist in Wirklichkeit eine Küchengehilfin mit zufälliger Namensgleichheit, die 1967 ermordet wurde. Aber nicht nur in gerichtspsychiatrische Gutachten floss diese Geschichte Unterwegers ein, er wiederholte sie immer wieder, sowohl schriftlich als auch bei Interviews und erzählte sie in verschiedenen Versionen stets neu, so unter anderem auch in einem ORF-Interview von Dr. Peter Huemer.
In der Regel wird im Rahmen einer bedingten Entlassung ein schriftlich ausgefertigtes psychiatrisches Gutachten über den wegen Mordes Verurteilten und seine Aussichten für die Zukunft erstellt. Darin muss der Psychologe zur Auffassung gelangen, dass der Rechtsbrecher in Freiheit keine weiteren strafbaren Handlungen begehen werde.
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