Kapitel II
Straftaten, Haftstrafen und Gutachten
Im Teufelskreis der Kriminalität
Nicht alles, was geschrieben steht, entspricht auch der Wahrheit. Unterweger sucht eine Rechtfertigung seiner Taten in der subjektiv
gefärbten Darstellung seines Lebens. Ob es sich nun um den kleinen Diebstahl oder den brutalen Mord handelt, die Verantwortung
lehnt der Täter ab. Kriminell von frühester Jugend an, geprägt durch die Zeit in Heimen und Erziehungsanstalten, ein
Gefangener der Sozialmaschinerie, ungeliebt, verwahrlost, fallengelassen, ein Ausgestoßener des Systems?
So stellen es zumindest die Gutachter dar. Allerdings leidet die Glaubwürdigkeit der vorgelegten Befunde erheblich, durchleuchtet
man die Abgründe und Hintergründe, nicht im Leben des Jack Unterweger, sondern in seiner Psyche. Ein Vordringen in die Tiefe
schien den Seelenforschern jedoch nicht vonnöten zu sein.
Stets mit einem Bein im Knast
Jack Unterweger
zu Prozessbeginn am 20. Apr. 1994 in Graz
(Foto: Georges Schneider / APA / picturedesk.com)
Der Grund ist diesmal die Entführung einer Minderjährigen aus dem Machtbereich der Erziehungsberechtigten, sowie ein Diebstahl.
In dieser Zeit wechselt Jack Unterweger häufig den Wohnsitz, hält sich nur sporadisch an einem Ort auf und nimmt mehrere
Gelegenheitsjobs an. Im März 1971 wird die Strafe wegen eines Briefes Unterwegers aus der Haft, den die Adressatin als Bedrohung
ansah, um drei Monate verlängert. Im Oktober 1971 erhält er wegen illegalen Grenzübertritts nach Deutschland drei Wochen
Freiheitsentzug und wird nach Österreich abgeschoben. Hier bekommt er 15 Monate Haft wegen eines Moped-, Fahrrad- und Autodiebstahls.
1974, im März, ist Unterweger wieder einmal ein Fall für das Strafgericht. Am 22. 12. 1973 entwendet er in Ischgl 27 Schallplatten
im Wert von 1.080 Schilling. Er wird deshalb am 13. 3. 1974 vom Landesgericht Innsbruck wegen Diebstahl zu sechs Monaten Freiheitsentzug
verurteilt. Das Landesgericht Salzburg spricht Jack Unterweger fast genau ein Jahr später, am 4. 12. 1975, wegen des Verbrechens der
versuchten Nötigung, des Vergehens der Nötigung und Unzucht, des Vergehens der Entziehung einer Minderjährigen aus dem
Einflussbereich des Erziehungsberechtigten, des Vergehens der Körperverletzung und des Waffengesetzes schuldig und verurteilt ihn
zu einer dreijährigen Haftstrafe.
Lesen Sie mehr in «Wenn der Achter im Zenit steht...»